01.06. – Eine Wanderung mit Herz: Die dritte Etappe – 18 km von La Rodriga nach Bodenaya
Heute stehen 18 Kilometer bis Bodenaya auf dem Plan. Die ersten zwölf Kilometer verlaufen unspektakulär. Ich gehe auf breiten, staubigen Wegen neben einer stark befahrenen Straße. Nicht gerade idyllisch. In Salas beschließe ich, mich für den bevorstehenden anstrengenden Abschnitt zu stärken.






Der Weg bis Salas
Salas überrascht mich mit einem wunderschönen Ortskern. Der Monumentalkomplex im Zentrum beeindruckt mit der Pfarrkirche und einem Palast aus dem 16. Jahrhundert. Ein Festungsturm aus dem 14. Jahrhundert, in dem sich ein Museum befindet, ragt empor. Eine interessante Information am Rande: Bis 2010 wurden Pilger im feuchten Kellerverlies des historischen Ortsgefängnisses untergebracht. Welch‘ ein Kontrast!




Nach meiner Stärkung in Salas beginnt der Aufstieg. Über 550 Höhenmeter liegen vor mir. Eine Herausforderung! Anfangs ahne ich nicht, dass der Weg größtenteils über grobes Geröll führt. Das macht den Aufstieg zusätzlich beschwerlich. Doch die atemberaubende Natur entschädigt für alle Mühen. Der Weg schlängelt sich durch einen schattigen Wald. Der zauberhafte Gesang der Vögel begleitet mich. Sie scheinen sich für diesen wunderschönen Tag zu bedanken. Trotz der Sonne spendet der Wald angenehmen Schatten. So erreiche ich den höchsten Punkt in Porcilles mit genügend Kraft. Die letzten drei Kilometer bis Bodenaya auf der Hochebene bewältige ich ohne große Anstrengung.


In Bodenaya erwartet mich Davids und Celias Spendenherberge. Sie liegt direkt am Jakobsweg. Der Empfang ist überwältigend herzlich. David spricht mich direkt mit meinem Namen an, obwohl wir uns noch nie begegnet sind. Eine tolle Überraschung! David ist selbst ein begeisterter Jakobsweg-Pilger. Der Madrilene ist bereits acht verschiedene Jakobswege gegangen. Später kommt Celia dazu. Sie hat früher selbst eine Herberge geleitet. Die Herberge der beiden ist ein Juwel. Ein liebevoll renoviertes und eingerichtetes privates Pilgerdomizil in einem alten Steinhaus. Elf Betten verteilen sich auf drei Zimmer. Ein Kamin sorgt für Gemütlichkeit. Ein uriger Aufenthaltsraum, angenehme Musik und vegetarisches Essen runden das Angebot ab. Ein besonderer Service, den ich sonst nirgends erlebt habe: Die verschwitzte Wäsche der Pilger wird eingesammelt und am nächsten Morgen frisch gewaschen zurückgegeben. Unterkunft, Essen und Wäsche gibt es gegen eine Spende. „Ich schreibe keine Rechnung“, sagt David. „So etwas macht man nicht bei Freunden.“



Die Spendenherberge in Bodenaya
In Bodenaya treffe ich den französischen Wanderer wieder, den ich in Roca Madre kennengelernt habe. Eine junge Italienerin, die etwas Deutsch spricht, gesellt sich dazu. Ebenso eine junge Spanierin mit Deutschkenntnissen, eine Pilgerin aus den Niederlanden, ein 76-jähriger spanischer Pilger (bereits zum fünften Mal hier!) und einige andere. Eine bunte Mischung! David erzählt von vielen deutschen Gästen, besonders aus dem Kölner Raum. Er weist mir eine Schlafnische mit dem Emblem des 1. FC Köln an der Decke zu. Eine lustige Anekdote! Im gemütlichen Schlafraum gibt es keine Etagenbetten, sondern Einzelbetten. Eine willkommene Abwechslung.

Um 20 Uhr erwartet uns ein gemeinsames Abendessen. Wie in Roca Madre. Ich bin gespannt! Und wieder bin ich überwältigt. Viele nette Menschen aus aller Welt sitzen mit mir an einem Tisch. Trotz unterschiedlicher Sprachen verstehen wir uns. Eine friedliche, harmonische Atmosphäre. Wir essen, genießen Rotwein und unterhalten uns. Mal auf Englisch, mal auf Französisch, mal auf Italienisch, mal auf Spanisch. Bei Bedarf übersetzt jemand ins Englische. Die meisten sprechen es. Im Laufe des Abends wird mir klar: Trotz unserer unterschiedlichen Herkunft sind wir uns sehr ähnlich. Wir teilen Ängste, Wünsche, Sehnsüchte und Gefühle. Dazu kommt die außergewöhnliche Herzlichkeit von David und Celia. Zum zweiten Mal auf dieser Reise bin ich tief berührt. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, nächstes Jahr wiederzukommen.