04.06. – Eine Weggabelung und ihre Folgen: Die sechste Etappe – 16 km von Borres nach Peñaseita

Ich habe mich wieder einmal verschätzt. Die heutige Etappe ist anspruchsvoller als gedacht. Nach dem Verlassen der Herberge führt der Weg zunächst steil bergauf. Danach geht es flacher über Feld- und Waldwege weiter. Bald erreiche ich eine Weggabelung. Hier teilt sich der Pilgerweg. Es gibt die traditionelle Route „Hospitales“. Sie ist 24 Kilometer lang. Auf dieser Strecke gibt es keine Herbergen und keine Möglichkeit, Wasser oder Essen zu kaufen. Der Weg steigt stetig auf etwa 1250 Meter an und gilt als Sommerweg. Er soll landschaftlich der schönste Teil des Camino Primitivo sein, aber eben auch sehr anstrengend.

Hier teilt sich der Camino in die Route Hospitales und die alternative Strecke über Pola de Allande

Ich entscheide mich gegen diese Herausforderung. Ich wähle den Weg über Pola de Allande. Auf dieser alternativen Strecke gibt es in größeren Abständen Herbergen und Verpflegungsmöglichkeiten. Sie wird daher als Winterweg bezeichnet. Obwohl der höchste Punkt etwa 100 Meter unter dem der Route „Hospitales“ liegt, sind beide Routen etwa gleich schwer. Durch das ständige Auf und Ab der Alternativroute legt man sogar mehr Höhenmeter zurück. Einige Pilger hatten mir das bereits bestätigt. Trotzdem hoffe ich, die vielen Anstiege durch die anschließenden Abstiege leichter zu bewältigen. Die Zeit wird es zeigen!

16 Kilometer von Borres bis Peñaseita

Die nächsten sieben Kilometer führen mich stetig bergauf und bergab über Pisten, Wege und Pfade zum Labadoiro-Pass. Dort erreiche ich mit 800 Metern den höchsten Punkt des heutigen Tages. Der schwerste Teil für heute ist geschafft!

Gemeindekirche San Andrés in Pola de Allande

Von dort geht es bergab nach Pola de Allande. In einer Bar erhole ich mich bei einer Tasse Kaffee von den Strapazen. Eine willkommene Pause!

Danach beginnt der nächste Anstieg. Vier Kilometer auf einer Landstraße liegen vor mir. Endlich erreiche ich Peñaseita. Das kleine Dorf besteht gefühlt nur aus drei Häusern und einer Bar. Die dortige Pilgerherberge ist einfach, aber ruhig gelegen. Sie bietet zwölf Etagenbetten in einem geräumigen Schlafsaal. Es gibt eine Trennung für Männer und Frauen. Alles ist gepflegt. Neben den Betten gibt es eine Kochplatte, einige Töpfe, aber wenig Geschirr und Besteck, eine einfache Heizung, Decken, warmes Wasser und einen Tisch mit Bänken hinter dem Haus. Bei der Ankunft treffe ich drei Pilgerinnen, die den gleichen Weg gewählt haben. Die Herberge ist verschlossen. Wir holen den Schlüssel in der 100 Meter entfernten Bar ab. Dort gibt es ab 9 Uhr Speisen und einfache Menüs, außer dienstags.

Die öffentliche Pilgerherberge in Peñaseita

Wir haben die Herberge für uns allein. Perfekt! Die meisten Pilger bleiben wohl in Pola de Allande, wo es mehr Unterkünfte gibt. Nach dem Frischmachen wollen wir in der Bar nach Essen fragen. Obwohl der Ort winzig ist, ist die Bar voll. Wir bekommen etwas zu trinken, aber das Essen gibt es erst ab 19 Uhr. So vertreiben wir uns die Zeit mit Wäsche waschen in der Herberge. Gegen 18 Uhr kommt jemand vorbei, kassiert die Übernachtungsgebühr und stempelt unsere Pilgerausweise.

Die Herberge wirkt gemütlich. Da wir die einzigen Gäste sind, haben wir viel Platz. Das wenige Geschirr und Besteck ist ein kleines Manko. Beim Frühstück am nächsten Morgen müssen wir improvisieren. Dafür ist der Preis von sechs Euro für die Übernachtung sehr günstig. Ein fairer Deal!