31.05. – Eine Begegnung mit Herzlichkeit : Die zweite Etappe – 12 km von Grado nach La Rodriga

Nach dem gestrigen Kraftakt steht heute Erholung auf dem Programm. Nur knapp elf Kilometer liegen vor mir. Nach einem stärkenden Frühstück in Grado starte ich um halb acht. Die Sonne scheint. Ein guter Start!

Auf dem Weg nach Grado

Der Weg beginnt anspruchsvoll. Es geht steil bergauf, dann wieder steil bergab. Einige Abstiege sind felsig. Glücklicherweise bleibt es trocken. Bei Regen wären sie gefährlich rutschig. Konzentration ist gefragt, um nicht umzuknicken. Die Strecke führt durch wilde, romantische Natur. Leider muss ich auch Abschnitte auf Asphaltstraßen zurücklegen. Eine Autobahn begleitet mich lange Zeit in unmittelbarer Nähe. Nach zweieinhalb Stunden erreiche ich mein Ziel: die Spendenherberge „Roca Madre“. Sie gehört Irene und Diego.

Die beiden welterfahrenen Pilgerfreunde aus Madrid haben 2021 ein wunderschön restauriertes Bauernhaus in eine Herberge mit zwölf Betten verwandelt. Ich finde sie im Weiler „La Rodriga“, rechts des Kreisverkehrs, direkt am Waldrand. Eine idyllische Lage!

12 Kilometer von Grado nach La Rodriga

Obwohl die meisten Herbergen erst am Nachmittag öffnen, werde ich von Irene herzlich empfangen. Meine frühe Ankunft überrascht sie zwar, aber sie zaubert kurzerhand ein kleines Festmahl. Selbstgebackener Kuchen, Marmelade, Kaffee und frisch geerntete Mandarinen stehen bereit. Eine wundervolle Geste! Nicht nur Irene, auch ihre beiden Hunde begrüßen mich überschwänglich. Ich schließe sie sofort ins Herz.

Ein seltsames Gebäude über der Terrasse weckt meine Neugier. Ich habe ähnliche Konstruktionen schon auf meiner Wanderung gesehen. Irene klärt mich auf: Es handelt sich um einen Getreidespeicher, der noch heute als Vorratslager dient. Eine fehlende Stufe an der Treppe verhindert, dass Ratten an die Vorräte gelangen. Eine clevere Lösung! Irene nimmt mich sogar mit auf eine kleine Führung und erklärt, dass sich früher bis zu vier Familien einen solchen Speicher teilten. Eine Reise in die Vergangenheit!

Paneras (übersetzt: Brotkörbe) so nennt man die asturischen Getreidespeicher

Die Herberge mit dem alten Getreidespeicher und der einladenden Terrasse wirkt sehr gemütlich. Der Blick auf den kleinen Ort ist malerisch. Später kommt auch Diego dazu. Er ist genauso herzlich wie Irene. Die Atmosphäre ist wunderbar.

Die Spendenherberge „Roca Madre“

Nach einer kurzen Erfrischung und einer entspannten Pause auf der Terrasse trifft ein weiterer Gast aus Frankreich ein. Die kleine Pilgergemeinschaft wächst.

Der Abend hält ein besonderes Highlight bereit: ein fantastisches, mehrgängiges Abendessen. Irene und Diego laden alle Gäste ein. Ab 20 Uhr sitzen wir gemeinsam an einem großen Tisch. Wir genießen das köstliche Essen und angeregte Gespräche. Es geht ums Wandern, die überfüllten Caminos in diesem Jahr und die wohltuende Ruhe des Camino Primitivo. Wir tauschen Wünsche, Gedanken, Ziele und Erwartungen an die Pilgerreise aus. Ein langer, unvergesslicher Abend – dank unserer außergewöhnlichen Gastgeber.