03.06. – Eine Suche nach Frieden : Die fünfte Etappe – 14 km von Tineo nach Borres
Um vier Uhr morgens herrscht plötzlich Unruhe. Nachtwanderer machen sich auf den Weg. Diese Pilger starten extrem früh, um sich die besten Schlafplätze in der nächsten Herberge zu sichern. Ein Wettlauf um die Betten!
Während Nachtwanderer in anderen Herbergen versuchen, möglichst leise und unauffällig zu sein, sieht es hier anders aus. Rücksichtslos knipst jemand das Licht an. Eine Stunde lang poltert es laut auf dem Gang. Dann kehrt endlich wieder Ruhe ein. Ich sehne mich nach Schlaf, bevor um sieben Uhr das Licht ohnehin wieder angeht. Als ich mich später fertig mache, entdecke ich eine unappetitliche Überraschung auf der Toilette. Offenbar wissen nicht alle Pilger, wofür die Klobürsten gedacht sind. Ein Ärgernis!
Pünktlich um halb acht stehe ich auf der Straße. Meine heutige Etappe beginnt mit einem steilen Anstieg von Tineo aus.



14 Kilometer auf dem Weg nach Borres
Kilometerweit geht es nur bergauf über felsige Pfade. Ich muss aufpassen, nicht zu stolpern oder mir den Fuß zu verstauchen. Der ohnehin anstrengende Aufstieg wird dadurch noch schwieriger. Über zwei Stunden quäle ich mich über das steinige Terrain. Doch die Landschaft ist atemberaubend. Der Gesang der Vögel begleitet mich und versüßt den Weg. In 900 Metern Höhe erreiche ich den heutigen Gipfel. Geschafft!




Borres
Von nun an geht es bergab. Zuerst auf einer betonierten, wenig befahrenen Straße, dann auf einer asphaltierten Landstraße. Gegen halb zwei erreiche ich Borres. Eine nette, kleine Herberge erwartet mich. Sie befindet sich in einem renovierten Natursteinhaus. Zehn Schlafplätze in einem rustikalen Schlafsaal, eine Kochgelegenheit, Heizung und Decken sind vorhanden. Wer nicht selbst kochen möchte, kann in der Bar nebenan essen.



Die Herberge in Borres
Am Abend sitze ich mit sieben anderen Pilgern beim Pilgermenü in der Bar. Eine bunte, internationale Truppe: vier Franzosen, ein Holländer, ein Japaner und zwei Deutsche. Eine interessante Mischung!

Unsere Abendrunde in der Bar
Beim Essen kommt man ins Gespräch. Ich stelle die Frage nach den Beweggründen für die Pilgerreise in die Runde. Die Antworten überraschen mich. Es werden kaum religiöse Motive genannt. Stattdessen sprechen die Menschen vom Frieden, den sie auf dem Weg finden. Eine Erkenntnis, die mich berührt, denn mir geht es ähnlich. Ich bin als Wanderer gestartet, suchte Herausforderungen und Abenteuer. Nun begegnet mir hier, völlig unerwartet, der Frieden. Ich sitze mit Menschen zusammen, die ich kaum kenne. Menschen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlicher könnten wir kaum sein. Und doch spüre ich zum wiederholten Mal eine tiefe innere Ruhe. Sie umgibt mich, durchdringt mich. Es tut unendlich gut. Eine unerwartete Wendung meiner Reise!