Josefstadt – Ein Spaziergang durch die Geschichte

Ein Highlight unserer heutigen Besichtigungstour ist Josefstadt, ein Stadtteil von Prag, der im 13. Jahrhundert per Königserlass zum jüdischen Viertel bestimmt wurde. Dieses Viertel, einst das jüdische Ghetto, erzählt Jahrhunderte alte Geschichten. Sechs Synagogen, ein Friedhof und das alte jüdische Rathaus sind noch erhalten. Wir kaufen Eintrittskarten – teuer, aber wir sind gespannt.

Gegenüber dem Eingang liegt die Altneu-Synagoge. Sie wirkt unscheinbar, doch ihre Geschichte ist bedeutend. Leider ist sie nicht im Ticket enthalten, und der Preis für einen weiteren Eintritt schreckt uns ab.

Unsere erste Station ist die Maisel-Synagoge. Sie fühlt sich für mich mehr wie ein Museum als ein Gotteshaus an. Relikte aus vergangenen Zeiten, aber Spiritualität spüre ich hier nicht.

Die Klausen-Synagoge (Zeremonienhaus) wirkt von außen malerisch und einladend. Das Innere spricht mich schon mehr an, als in der vorherigen Synagoge. Wieder sehe ich viele Artefakte aus vergangenen Zeiten, aber Spiritualität spüre ich auch hier nicht

Bei der spanischen Synagoge habe ich schon eher den Eindruck eines Gotteshauses. Sie ist die jüngste Synagoge auf dem Gebiet der ehemaligen Prager Judenstadt, wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts im maurischen Stil erbaut und steht an Stelle der ältesten, nicht mehr erhaltenen Synagoge Prags. Der Zentralraum ist mit einer großen Kuppel überwölbt. Die Fenster sind mit bemalten Scheiben verglast. An drei Seiten befinden sich Emporen. Die Wände und Decken sind reich mit Stuckarabesken und Ornamenten nach dem Vorbild der spanischen Alhambra ausgemalt und vergoldet. Auf der Empore befindet sich eine Orgel in gleicher ornamentaler Ausstattung. Diese Synagoge ist wirklich beeindruckend.

Doch am meisten berührt mich schließlich die Pinkas-Synagoge. Ihre Wände sind voller Namen der jüdischen Opfer des Holocausts. In der zweiten Etage hängen Zeichnungen von Kindern aus den Konzentrationslagern.  Traurigkeit überkommt mich. Wie konnten Menschen so viel Leid in die Welt bringen? Noch mehr macht es mich betroffen, dass auch unschuldige Kinder bei diesem Wüten kein Tabu darstellten. Der Ort mahnt uns, nicht zu vergessen.

Im Anschluss besuchen wir noch den alten jüdischen Friedhof. Da es im Ghetto keine Erweiterungsmöglichkeiten gegeben hatte, begrub man die Verstorbenen aus Platzmangel in bis zu zwölf Schichten. So enthält der Friedhof trotz seiner kleinen Fläche von ca. 1 ha über 12.000 Grabsteine und vermutlich die Gebeine von 100.000 Menschen. Ich würde gerne ein wenig innehalten und in mich hineinspüren, doch heute ist es zu voll, um die Stille dieses Ortes wirklich zu spüren.

Fazit: Josefstadt sollte ein Highlight darstellen. Das kann ich für mich jedoch bis auf Ausnahmen nicht feststellen.