17.06. – Ankunft am Ziel: Die achtzehnte Etappe – 9 km von Lavacolla nach Santiago de Compostela

Historischer Waschplatz

Am Ortsausgang von Lavacolla, am Zusammenfluss zweier Bäche, passiere ich einen historischen Waschplatz. Hier wuschen sich die mittelalterlichen Pilger vor ihrem Einzug in Santiago. Eine traditionsreiche Stätte!

Der weitere Weg ist unspektakulär. Nach etwa fünf Kilometern erreiche ich eine kleine Anhöhe bei der Kapelle San Marcos: den Monte do Gozo (Berg der Freude). Von hier sehe ich mein Pilgerziel, Santiago de Compostela. Nach all den Strapazen! Ein ergreifender Moment

Steinmonster bewachen dieses Gelände

Kurz nach dem Abstieg befinde ich mich am Stadtrand von Santiago. Ich entdecke ein scheinbar verlassenes Anwesen. Riesige Steinmonster bewachen es. Die Skulpturen eines unbekannten Künstlers faszinieren mich. Beeindruckende Kunst! Leider respektiert nicht jeder diese Kunst. Eine Bananenschale liegt auf einer Schutzmauer. Eine achtlose Geste!

Weiter auf der Straße sehe ich Müllberge. Hinterlassen von Pilgern! Es mangelt einigen an Respekt vor fremdem Eigentum, dem Gemeinschaftseigentum aller Pilger. Fast alle Hinweisschilder und Wegweiser sind beschmiert. Einige Sprüche sind vielleicht witzig. Aber es ist fremdes Eigentum! Es wurde für uns Pilger bereitgestellt. Es wird missbraucht. Noch schlimmer sind die vielen Aufkleber auf Verkehrsschildern, Wegweisern und Unterführungen. In Santiago sehe ich die Inschrift „Santiago de Compostela“ in einem Busch. Ich habe mein Ziel fast erreicht! Jeder Buchstabe ist mit Aufklebern überdeckt. Es sieht bunt aus. Aber die ursprüngliche Farbe ist nicht mehr erkennbar. Eine traurige Bilanz!

Erste Eindrücke von Santiago de Compostela

Nach wochenlangem Fußmarsch erreiche ich endlich Santiago. Nur noch vier Kilometer durch die Stadt bis zur Kathedrale. Ich gehe zuerst zum Pilgerbüro. Ich will meine Pilgerurkunde. Zum Glück ist es noch früh. Die Warteschlange ist überschaubar. Nach 15 Minuten bin ich drinnen. Ich gebe meine Daten in einen Computer ein: Name, Alter, Geschlecht, Beruf, Camino, Startort. Dann bekomme ich eine Wartenummer. Ich stelle mich in die nächste Schlange. Nach weiteren 15 Minuten leuchtet meine Nummer auf. Ich gehe zum Schalter. Eine freundliche Dame fragt mich nach meiner Sprache. „Deutsch, oder besser Englisch“, antworte ich auf Englisch. Sie sagt: „Ah, Deutsch, gerne“. Sie überprüft meine Stempel im Pilgerausweis. Sie gratuliert mir und überreicht mir meine Urkunde. Eine offizielle Bestätigung!

Den Abschluss bildet die Pilgermesse in der Kathedrale. Zu Beginn werden die an diesem Tag angekommenen Pilger und ihre Herkunftsländer genannt. Die Messe ist auf Spanisch. Ich verstehe wenig. Aber die Atmosphäre ist beeindruckend. Die Stimme der Sängerin berührt mich. Eine spirituelle Erfahrung!

Am Ende der Messe erhalten die Pilger einen persönlichen Segen. Dann gehe ich unter dem Altar hindurch und am Schrein mit den Gebeinen des Apostels Jakob vorbei. Für mich ist das das Ende der Pilgerreise. Einige gehen weiter nach Finistère, dem „Ende der Welt“. Dort endet der Jakobsweg wirklich. Beim nächsten Mal werde ich auch dorthin gehen. Aber meine erste Pilgerreise endet hier und heute. Bis Montag erkunde ich die Stadt. Am Montagabend schlafe ich nach drei Wochen wieder in meinem eigenen Bett. Ich bin wehmütig. Aber ich freue mich auch darauf. Ein bittersüßer Abschied!

Ich übernachte in der Herberge „Seminario Menor“. Das historische Knabeninternat ist eine einfache Traditionsherberge. Es liegt 900 Meter von der Kathedrale entfernt. 173 Einzelbetten stehen in zehn großen Schlafsälen mit Raumtrennung bereit. Durch die Hanglage hat man von einigen Schlafräumen einen schönen Blick auf die Stadt. Im Keller gibt es eine Küche mit einem kleinen Laden. Eine gute Wahl für die letzte Nacht!