14.06. – Nebel, Pilgerströme und vertraute Gesten: Die Fünfzehnte Etappe – 20 km von As Seixas nach Boente
Heute liegen wieder zwanzig Kilometer vor mir. Nach einem kleinen Frühstück starte ich um 7:30 Uhr. Die ersten acht Kilometer führen durch einen Wald. Dichter Nebel liegt über der Landschaft. Der Duft von Erde und frischen Kräutern liegt in der Luft. Das Grün um mich herum gibt mir Kraft. Ich komme zügig voran. Ich erreiche Melide. Hier endet der ruhige Camino Primitivo. Er trifft auf den stark frequentierten Camino Francés. Die Zahl der Pilger steigt sprunghaft an. Sie übertrifft die bisherige Anzahl um ein Vielfaches. Besonders in einer „Pilgerwelle“, wenn alle Gäste in Melide gleichzeitig nach dem Frühstück aufbrechen, fühlt man sich wie in einer Völkerwanderung. Eine neue Erfahrung!



Ich erfrische mich in einer Bar im Zentrum. Unzählige Pilger ziehen an mir vorbei. Auf meinem bisherigen Weg traf ich nur kleine Gruppen von maximal vier Pilgern. Hier sehe ich Gruppen von zwanzig bis dreißig Pilgern. Es wirkt wie Massentourismus. Die innige Gemeinschaft, die ich bisher erlebte, ist in diesem Moment nicht mehr spürbar. Eine deutliche Veränderung!






Nach meiner Stärkung setze ich meinen Weg fort. Hinter Melide führt der Pfad wieder durch einen Wald. Ich passiere mehrere Pilgergruppen. Das vertraute „Buen Camino“ höre ich kaum noch. Auch meine eigenen „Buen Camino“-Wünsche werden oft ignoriert oder mit unverständlichen Blicken beantwortet. Eine entmutigende Situation! Dann treffe ich auf eine Gruppe junger Frauen. Sie singen ein gemeinsames Camino-Lied und haben sichtlich Spaß. Am Ende des Liedes klatschen und jubeln sie. Ich drehe mich um und wünsche ihnen „Buen Camino“. Sie lachen, winken zurück und erwidern den Gruß. Ich fühle mich wieder versöhnt. Eine freundliche Geste! Später treffe ich eine Koreanerin. Ihre Kleidung ist auffällig. Trotz der Hitze trägt sie mehrere Schichten und einen kleinen, dunklen Regenschirm gegen die Sonne. Wir tauschen freundliche Worte und „Buen Camino“-Grüße aus. Auch in der Pilgermenge gibt es noch freundliche Menschen. Eine positive Erfahrung!
Bevor ich losging, las ich im Reiseführer. Er prophezeit zwei anstrengende Anstiege. Ein letztes Mal soll mein Weg auf einen 700 Meter hohen Pass führen. Ein zweiter steiler Anstieg soll mich eine halbe Stunde außer Atem bringen. Nach den Anstrengungen der letzten Tage spüre ich den Anstieg zum Pass kaum. Den „halbstündigen“ Anstieg bewältige ich in zehn Minuten. Eine angenehme Überraschung!

Neben viel Landstraße führt mein Weg durch Wälder, Wiesen, Weiden und verschlafene Dörfer. Die Gerüche wechseln: Eukalyptusbäume, frisches Heu, frischer Dung. Eine abwechslungsreiche Sinneserfahrung!



Gegen 13:30 Uhr erreiche ich Boente. Die schlichte, aber geräumige Herberge Fuente Saleta ist mein Ziel. Sie bietet Zimmer mit zwei bis sechs Betten. In der Bar darunter gibt es Menüs und Frühstück. Eine willkommene Ankunft!


