11.06. – Asphalt, Knieprobleme und eine Jugendherberge der besonderen Art: – Die zwölfte Etappe – 21 km von Castroverde nach Lugo

Der Morgen beginnt erfrischend. Der Weg führt durch die Natur. Morgennebel liegt in der Luft.
Die geplante Ankunftszeit bis 15 Uhr sollte machbar sein. Laut Reiseführer liegen die größten Steigungen hinter mir. Die verbleibenden Höhenmeter scheinen leicht zu bewältigen. Eine trügerische Annahme!






Anfangs laufe ich angenehm durch die Natur. Mein Tempo ist gut. Doch dann beginnt eine endlose Etappe auf asphaltierten Landstraßen. Lange Zeit führt der Camino auf einem betonierten Fuß- und Radweg neben der Straße entlang. Das Laufen auf Asphalt und Beton kostet viel mehr Kraft als auf den bisherigen Wegen. Eine unerwartete Herausforderung!
Dazu kommt noch die hohe Luftfeuchtigkeit. Ich spüre sie besonders in meinem linken Knie. Ein alter Muskelfaserriss unterhalb des Kniegelenks drückt auf Nervengewebe und verursacht Schmerzen. Normalerweise treten diese Schmerzen nur beim längeren Stehen auf. Hohe Luftfeuchtigkeit verstärkt die Beschwerden. Beim Laufen habe ich normalerweise keine Probleme. Die Muskeln werden beim Gehen nur kurzzeitig belastet und dann wieder entlastet. Ich vermute, das kilometerlange Laufen auf hartem Untergrund in Kombination mit der hohen Luftfeuchtigkeit hat meine Knieschmerzen ausgelöst. Eine unangenehme Begleiterscheinung!
Ich komme nicht so schnell voran wie erhofft. Der Druck, bis 15 Uhr anzukommen, lastet auf mir. Ich schaue immer wieder auf mein Handy. Wie viel Zeit bleibt noch? Wie weit ist es noch? Trotz des Zeitdrucks muss ich Pausen einlegen, um meine Muskeln zu entlasten. Eine Zwickmühle!
Endlich sehe ich Lugo. Eine Ansammlung von Häusern auf einem Hügel. Fünfstöckige Gebäude erinnern mich an riesige Mietskasernen. Laut Reiseführer ist Lugo eine alte Römerstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten. Doch der erste Eindruck schreckt mich ab. Die Stadt wirkt gigantisch. Ich bin eher ein „Landei“ und mag große Städte nicht besonders. Eine erste Skepsis!
Später google ich die Einwohnerzahl von Lugo. Es sind 100.000, etwas weniger als in meiner Heimatstadt. Also doch kein „Scheinriese“? Eine relative Beruhigung!
Bis zur Jugendherberge sind es noch zwei Kilometer durch die Stadt. Ich komme rechtzeitig an. Sogar etwas früher als erwartet.
Obwohl die Jugendherberge sonntags normalerweise nicht besetzt sein soll, herrscht reges Treiben. Viele Gäste sind im Speisesaal. Einige kommen gerade von außerhalb. Nur die Rezeption ist leer. An wen soll ich mich wenden? Ich frage einen jungen Mann nach dem Personal. Er ist freundlich und verspricht, jemanden zu holen. Kurz darauf kommt er mit einer Frau aus dem Speisesaal zurück. Sie fragt auf Englisch nach meiner Reservierung. Sie schickt ihren Kollegen. Er spricht mich auf Spanisch an. Ich bitte ihn um Englisch. Er versteht kein Englisch. Eine Sprachbarriere! Der junge Mann bietet sich als Dolmetscher an. Eine willkommene Hilfe! Ich erfahre, dass mein Abendessen im Kühlschrank im Speisesaal steht und das Frühstücksbuffet vorbereitet ist. Ich soll mich selbst bedienen. Mir wird der Schlüssel für den Speisesaal gezeigt. Dann bekomme ich den Zimmerschlüssel. Danach bin ich auf mich allein gestellt. Ich suche meinen Schlafplatz. Laut Zimmernummer ist mein Bett im zweiten Stock. Dort finde ich neben einem Bad zwei abgeschlossene Zimmer. Mein Schlüssel passt zu einem davon. Ein abgeschlossenes Zimmer! Ich hatte mit einem Schlafsaal gerechnet. Eine unerwartete Situation!



In meinem kleinen Zimmer stehen zwei wackelige Einzelbetten und ein Etagenbett ohne Leiter. Auf jedem Bett liegt ein Laken und ein Kissenbezug. In vier großen Wandschränken (die Türen schließen nicht richtig) liegen Wolldecken. Kleiderstangen fehlen, aber es gibt ein paar Bügel. Es riecht muffig. Lange nicht gelüftet! Ich öffne die Fenster. Das angrenzende Badezimmer teilen sich mein Zimmer und das Nebenzimmer. Eine Toilette hat keine Klobrille, die andere ist zerbrochen. Die Armaturen sind teilweise aus der Wand gerissen. In einer Dusche fehlt die Halterung für den Duschkopf. Die Abdeckungen der Wasserhähne fehlen. Man erkennt nicht, wo warmes und kaltes Wasser kommt. Beim Ausprobieren stelle ich fest, dass die Hähne in den Duschen vertauscht sind. Ein Kuriosum!
Nach der anstrengenden Wanderung brauche ich Erholung. Ich dusche, ziehe frische Kleidung an und gehe Lugo erkunden.






Lugo war zur Römerzeit die Hauptstadt der Provinz Gallaecia. Die 2.130 Meter lange, vollständig erhaltene Stadtmauer zeugt von dieser Zeit. Sie stammt aus dem 1. und 2. Jahrhundert und gehört heute zum Weltkulturerbe. Ein beeindruckendes Bauwerk!



Im Zentrum von Lugo steht die Kathedrale. Dort gehe ich zuerst hin. Durch ein riesiges Tor in der Stadtmauer gelange ich ins Zentrum. Die Kathedrale liegt direkt vor mir. Hinter der Kathedrale führt eine Treppe auf die Stadtmauer. Von dort oben kann man die Altstadt umrunden. Ein herrlicher Ausblick! Ein Mönch aus Südamerika, den ich schon in anderen Herbergen getroffen habe, fotografiert mit seinem Begleiter auf der Mauer. Ein Wiedersehen!






Ich besichtige die Kathedrale. Vier Euro Eintritt. Ich habe noch nie Eintritt für eine Kirche bezahlt. Aber es lohnt sich. Die Kirche ist beeindruckend. Überall gibt es Motive zum Fotografieren: biblische Szenen, Heilige, kunstvolle Schnitzereien. Die Kathedrale ist in viele kleine Kapellen unterteilt. Eine beeindruckende Vielfalt!






Nach der Besichtigung gehe ich auf der Stadtmauer spazieren. Ein herrlicher Blick über die Stadt! Anschließend setze ich mich in eine Taverne an einem kleinen Park. Ich lasse die Eindrücke bei einem Bier auf mich wirken. Eine willkommene Entspannung!
Zurück in der Jugendherberge hole ich mein Abendessen aus dem Kühlschrank: eine harte, trockene Thunfischpizza und ein kleiner Salat ohne Dressing. Im Speisesaal finde ich Essig, Öl und Gewürze. Ich bereite meinen Salat zu. Die Pizza ist schwer zu kauen und zu schlucken. Eine enttäuschende Mahlzeit!
Kurz darauf beende ich den Tag.